78 Kurmärkische Lehnskanzlei; Rep. 78 Kurmärkische Lehnskanzlei; 1233-1899 (Bestandsgruppe)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Signatur:78 Kurmärkische Lehnskanzlei
Titel:Rep. 78 Kurmärkische Lehnskanzlei
Vorwort:Behördengeschichte

Bis zur Mitte des 16. Jh. bearbeitete die Kurfürstliche Kanzlei neben ihren anderen Geschäften auch die Lehnssachen. Schon seit dem Ende des 15. Jh. zeichnete sich in der Schriftgutführung eine Differenzierung im Geschäftsbetrieb der Kanzlei ab. Die wachsenden Aufgaben dieser Behörde ließen es schließlich ratsam erscheinen, das Lehnsressort zu verselbständigen. Der seit 1558 als Kanzler tätige Lampert Distelmeier begründete noch im gleichen Jahr die Kurmärkische Lehnskanzlei und übertrug die Wahrnehmung der Geschäfte einem Lehnssekretär. Die Aufgaben dieser Behörde umfassten die Fortführung der von der Kurfürstlichen Kanzlei angelegten Lehnsregister, die Ausstellung der Mutscheine und Lehnsbriefe, der Anwartschafts-, Konsens-, Bestätigungs- und Leibgedingsbriefe, die Führung der Vasallenlisten, die Prüfung, Berechnung und Einziehung der Lehnware und Lehnpferdegelder, die Wahrung der Lehnshoheit des Landesherrn in allen Lehnsfällen, die Vorbereitung der Huldigungen, die militärischen Angelegenheiten wie Aufgebote und Rüstungen, die Führung der Musterrollen und Kriegssteuerlisten, schließlich die Ausstellung besonderer Privilegien für Städte, Innungen und Einzelpersonen.

Neben der Kurmärkischen Lehnskanzlei entstand unter der Regierung des Markgrafen Johann von Küstrin (1535-1571) bei der von ihm gegründeten Regierung ein selbständiger Lehnshof für die Neumark, der auf Betreiben der neumärkischen Stände auch nach dem Rückfall der Neumark an Kurbrandenburg 1571 bestehen blieb (vgl. Rep. 4B Neumärkische Regierung/Oberlandesgericht). Auch die im 17. Jh. hinzuerworbenen Gebiete des werdenden brandenburg-preußischen Staates behielten die Lehnsbehörden aus der Zeit ihrer Selbständigkeit bei. Nur das Herzogtum Magdeburg wurde dem Kompetenzbereich der Kurmärkischen Lehnskanzlei angeschlossen, da ohnehin ein großer Teil der magdeburgischen Lehen der Hoheit anderer Reichsstände unterlag.

Mit der Begründung und dem weiteren Ausbau des Geheimen Rats als brandenburg-preußischer Zentralbehörde zu Beginn bzw. in der Mitte des 17. Jh. wurde die Lehnskanzlei dem Lehnsdepartement nachgeordnet. Mit der Allodifikation der Lehen (Umwandlung in Eigentum) im Jahre 1717 entfiel ein Teil der Aufgaben der Lehnskanzlei gänzlich, indem die ständische Institution der Ritterschaftlichen Hypothekendirektion(en) die Bearbeitung des Grund- und Hypothekenbuchwesens für den privilegierten Güterbesitz (Rittergüter) und die Schulzenlehen übernahm (vgl. Rep. 23A Kurmärkische Stände RHD). Mit dem Niedergang des Lehnswesens und der daraus resultierenden Aufgabenverminderung bzw. Aufgabentrennung verlor die Lehnskanzlei während des 18. Jh. mehr und mehr an Bedeutung. Da sie seit 1735 im Hause des Kammergerichts untergebracht war, übernahm schließlich einer der Sekretäre des Gerichts die Verwaltung des Lehnsarchivs und der verbliebenen Geschäfte. 1806 bzw. 1810 übernahm das Kurmärkische Kammergericht (vgl. Rep. 4A Kammergericht) als kurmärkisches Obergericht und erste Instanz des exemten Adels endgültig die restlichen Lehns- und nunmehr auch die Grundbuchgeschäfte der Rittergüter und führte letztere bis zur Aufhebung der Patrimonialjustiz im Jahre 1849 fort. Die Kompetenzen der Lehnskanzlei in den linkselbischen Gebieten waren 1806/1807 auf das Königreich Westfalen und 1815 auf die Provinz Sachsen übergegangen. Hier hatte das Oberlandesgericht Magdeburg, später Naumburg die gleichen Funktionen im Hinblick auf die Altmark und das frühere Herzogtum Magdeburg inne wie das Kammergericht in der Kurmark.

Bestandsgeschichte

Die Kurmärkische Lehnskanzlei übernahm 1558 von der Kurfürstlichen Kanzlei als Arbeitsmittel das formierte Schriftgut, d. h. vor allem die Lehnsregister (sog. Lehnskopiare). Sie waren in der Regel nach den Regierungsperioden der Landesherren angelegt und seit Ende des 15. Jh. innerhalb dieser nach Landschaften (Hauptkreisen). Mit zunehmender Schriftlichkeit erfolgte auch eine weitere sachliche Untergliederung der Kopiare (z.B. Lehen, Konsense, Leibgedinge usw.). Neben diesen Registern erwuchs bei der Lehnskanzlei eine umfangreiche Aktenregistratur (Generalia, Familien, Orte, Privilegien und Zünfte, Varia, Magdeburgische Lehen). Während die Register spätestens 1717 schließen, reichen die Akten bis zum Ende der Lehnskanzlei und zum kleinen Teil bis zur Mitte des 19. Jh. Das Kammergericht übernahm 1810 das gesamte Lehnsarchiv mit Ausnahme der altmärkischen und Magdeburger Betreffe. Es legte neue Grund- und Hypothekenbücher für die Rittergüter an und z. T. auch neue Akten. Die im Kammergerichtsarchiv verwahrten Lehnsbestände wurden in zwei Ablieferungen 1889 und 1895 an das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem abgegeben und dort als I. HA., Rep. 78 und Rep. 78a aufgestellt. Die Grund- und Hypothekenbücher der Ritterschaftlichen Hypothekendirektionen (1717-1810) kamen an das Brandenburgische Provinzialarchiv und bildeten einen Teil des Bestandes X. HA., Pr.Br.Rep. 23A Kurmärkische Stände. Die beim Kammergericht bearbeiteten Grund- und Hypothekenbücher und -akten der Rittergüter (1810-1849) wurden ebenfalls im Provinzialarchiv unter der Bezeichnung Pr.Br.Rep. 4A Kammergericht aufgestellt. Letztere sind 1945 teilweise in Berlin-Dahlem verbrannt, während die anderen genannten Bestände im Zweiten Weltkrieg ausgelagert worden waren. Die Akten der Lehnskanzlei zu den linkselbischen Gebieten gelangten über das Oberlandesgericht Naumburg 1897 an das Staatsarchiv Magdeburg (heute Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg) und wurden dort unter der Signatur Rep. A 23a Kurmärkische Lehnskanzlei zu Berlin aufgestellt. 1908 musste Magdeburg die das ehemalige Herzogtum Magdeburg betreffenden Lehnsakten an das Geheimes Staatsarchiv abgeben, wo sie als Abt. VI den Akten der Rep. 78 angefügt wurden, nachdem schon 1883 14 altmärkische Lehnskopiare abgeliefert worden waren. Die altmärkischen Lehnsakten verblieben zunächst in Magdeburg.

Die im zweiten Weltkrieg nach Mitteldeutschland verlagerten Bestände des Geheimen Staatsarchivs kamen im Jahre 1949/50 in das neu gegründete Deutsche Zentralarchiv, Abt. Merseburg. Im Rahmen einer Bestandsabgrenzung des BLHA mit den Archiven in Merseburg (Kopiare, I-VI) und Magdeburg (VII) wurden die Bestände der Provenienz „Kurmärkische Lehnskanzlei" aus beiden Häusern 1963 nach Potsdam überführt und hier unter der Signatur Rep. 78 vereinigt. Nicht dazu gehörten die Lehnskopiare aus der Zeit vor 1558, als die Lehnskanzlei als eigene Behörde eingerichtet worden war. Sie verblieben in Merseburg und gelangten nach der Wiedervereinigung zurück an das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem. Im BLHA stehen jedoch Filme bzw. Kopien als Bestandsergänzung für die Benutzung zur Verfügung. Zu den aus Merseburg ins BLHA übernommenen Unterlagen gehört auch der Bestand Rep. 92 Nachlass Kötteritzsch. Nickel von Kötteritzsch (+ 1613) verwahrte als Lehnssekretär die Dienstregistratur in seinem Hause und behielt nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst einen Teil des Schriftgutes zurück, der später in das Geheime Staatsarchiv gelangte. Im BLHA ist der Bestand als Rep. 16 Nachlass Kötteritzsch aufgestellt worden. Für die darin enthaltenen Lehnssachen wurden Verweise in die Findbücher der Rep. 78 Lehnskanzlei eingefügt.

Der Bestand Rep. 78 Kurmärkische Lehnskanzlei umfasst folgende Strukturteile:

- Rep. 78 Lehnskanzlei Kopiare
- Rep. 78 Lehnskanzlei I Generalia
- Rep. 78 Lehnskanzlei II Familien
- Rep. 78 Lehnskanzlei III Orte
- Rep. 78 Lehnskanzlei IV Privilegien und Zünfte
- Rep. 78 Lehnskanzlei V Varia
- Rep. 78 Lehnskanzlei VI Herzogtum Magdeburg
- Rep. 78 Lehnskanzlei VII Altmark
- Rep. 78 Lehnskanzlei Urkunden.

Literatur

Friedrich Holtze: Zur Geschichte der Kurmärkischen Lehnskanzlei im 16. Jh., in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 6 (1893), S. 57-81. – Lieselott Enders: Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Spätfeudalismus im Bestand der Kurmärkischen Lehnskanzlei. In: Archivmitteilungen 34 (1984) Heft 6, S. 197-199. - Joachim Lehmann: Registraturgeschichtliche und quellenkundliche Aspekte älterer Kanzleiregister, dargestellt am Beispiel der brandenburgischen Register von 1411 bis 1470. In: Archivmitteilungen 26 (1976), S. 13-18.
Verweis:Geheimes Staatsarchiv PK, I. HA. Rep. 78 und Rep. 78a Kurmärkische Lehnskanzlei und I. HA, Rep. 62 Kurmärkische Lehnssachen
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=1544643
 
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