10B Heiligengrabe; Rep. 10B Zisterzienserinnenkloster/Stift Heiligengrabe (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 10B Zisterzienserinnenkloster/Stift Heiligengrabe
Vorwort:Gerline Strohmaier-Wiederanders in: Brandenburgisches Klosterbuch : Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts / Heinz-Dieter Heimann ... (Hrsg.), Band 1, Berlin : Be.bra-Wiss.-Verl. 2007, S. 593-594

Geschichte des Registraturbildners

Heiligengrabe wurde der Überlieferung nach 1287 durch Mgf. Otto V. den Langen als Zisterzienserinnenkloster gegründet, allerdings fehlen aus der Gründungszeit sämtliche Quellen. Die älteste Urkunde stammt von 1306 und spricht im Zusammenhang des Verkaufs von Breitenfeld an das Kloster durch die Markgrafen. Otto und Waldemar vom claustrum thechow; der spätere Klostername taucht erstmals 1317 auf. Beim Erwerb von Könkendorf ist die Rede vom Kloster zum Heiligen Grab, das bei dem Dorf Techow liege (claustrum sancti Sepulcrum, quod situm est apud villam Techow). Danach beginnt sich der Name Heiligengrabe durchzusetzen. Ab 1326 begegnet uns sanctum Sepulcrum oder Hylghen Grave als Klostername.
Das Gründungsdatum wird erst in der Gründungslegende von 1521 und später bei J. C. Bekmann 1751-53 genannt. Vieles spricht aber dafür, daß das überlieferte Gründungsdatum korrekt ist. Das spannungsreiche Kräfteverhältnis Ende des 13. Jhs. in der Prignitz zwischen den beiden Linien des askanischen Hauses und die Beziehungen beider zum Havelberger Bischof mußten es für Markgraf Otto V. geraten sein lassen, seine Position in der Prignitz zu stärken. Mit der Gründung eines Nonnenklosters konnte er den dortigen Adel an sich binden, aus dessen Familien weitgehend die künftigen Nonnen kommen würden. 1287 war die politische Konstellation so, daß die Gründung Heiligengrabes sinnvoll erscheint. Spätere Nachrichten über die Gründung finden sich bei Z. Gartz, Successiones (S. 93f.) von 1729: Sacrum bustum, ordinis Cisteräensium, fundatum est ab Ottone Longo, ut arbitror. Offenbar gibt Gartz damit eine Klosterüberlieferung wieder.
Die älteste Nachricht vom Gründungsdatum stammt aus der erwähnten Gründungslegende. Wir kennen sie durch einen Druck von 1521, der seinerseits auf eine lateinische Fassung von 1516 zurückgehen soll. In mittelniederdeutscher Sprache und mit etwas plumpen Holzschnitten illustriert, berichtet sie, wie am Freitag vor Pfingsten 1287 ein Jude aus der Dorfkirche von Techow Hostien stiehlt. Er kommt damit nicht weit: Vor einem Richtplatz in der Nähe des Dorfes vergräbt er die Hostien, weil sie zu bluten beginnen. In Pritzwalk wird der Dieb aufgegriffen, überführt und hingerichtet. Die Hostien verursachen Wunder, was vom Pritzwalker Pfarrer, vom Havelberger Bischof und von den Markgrafen bestätigt wird. Der Markgraf errichtete deshalb bei der Stelle des Hostienwunders ein Zisterzienserinnenkloster, das mit Nonnen des Klosters Neuendorf/Altmark besetzt wird, nachdem auch die dortige Äbtissin vom Wunder überzeugt worden ist. Heiligengrabe wurde zum Wallfahrtsziel. Diese legendarische Überlieferung erscheint allerdings in vielen Punkten fiktiv, denn sie berichtet von einem Hostienfrevel, der Anlaß einer Heilig-Blut-Verehrung gewesen sein soll. Der Klostername deutet allerdings auf eine Heilig-Grab-Verehrung hin, die oft mit einer Jerusalem-Wallfahrt verbunden war. Heilig-Grab-Anlagen können daher in Erinnerung an eine stattgehabte Wallfahrt, als Ersatz für eine Wallfahrt oder auch im Zusammenhang mit der Karfreitags- und Osterliturgie errichtet werden. Die Judenbeschuldigung in der Heiligengraber Gründungslegende ist vermutlich das Konstrukt einer späteren Zeit, zumal die Erzählweise durch eine gewisse Stereotypie geprägt ist. Dazu gehört der Tag des Hostiendiebstahls, Freitag vor Pfingsten, der für diese Erzählungen ein beliebtes Datum ist. Auffällig ist außerdem eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bericht vom Hostiendiebstahl in Sternberg/Mecklenburg, der eine Wallfahrt ausgelöst hatte, aber erst aus dem Jahr 1492 stammt.
Historisch wahrscheinlich ist die in der Gründungslegende behauptete Besiedelung des Konvents durch das Mutterkloster Neuendorf/Altmark. Gesichert durch die frühen Quellen ist auch, daß Heiligengrabe eine markgräfliche Gründung war. Die Gründung des Klosters stand mit einer Heilig-Blut-Verehrung aber nicht im Zusammenhang, entwickelte sich das Kloster doch erst wesentlich später - im 15. Jh. - zu einem Wallfahrtsort. Der heutige Bau der Blutkapelle vor der Westseite der Klosterkirche mit der Funktion einer Wallfahrtskapelle wurde J. Simon 1929 zufolge 1512 geweiht; neuere bauhistorische Untersuchungen lassen aber vermuten, daß die Kapelle erst nach 1519 errichtet worden ist. Zwei Vorgängerbauten wurden allerdings ergraben. Gefunden wurden die Fundamente einer älteren Kapelle, die noch einmal erweitert worden ist. Unter dem Fußbodenniveau dieser Kapelle kam ein kleiner gewölbter Ziegelbau mit noch kleinerem Vorbau zutage, dazu Münzen und verschiedene Gräber mit und ohne Sarg und ohne Grabbeigaben. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem kleinen Gruftbau um das ausgemauerte Grab, von dem der Klosterprediger Hindenburg (1772-1803) berichtete. Eine Nachricht von J. C. Bekmann 1751-53 könnte in diesen Zusammenhang gehören. Bekmann berichtet von einem Christusbild als Steinrelief mit "langem Habit, jedoch mit offener Brust und in den Händen und Füßen sich zeigenden Nägelmahlen [...], daß es die vielen Striemen und Wunden des Herrn Christi und in dem Lacken die Bluthflecken seines Leibes bedeuten solle". Diese Beschreibung paßt auf eine Heilig-Grab-Anlage mit dem Typ des Grabchristus, wie sie im Kloster Wienhausen bei Celle oder im Freiburger Münster zu sehen ist. Wahrscheinlich war die Kapelle dem Klosternamen gemäß eine Heilig-Grab-Anlage für die Karfreitags- und Osterliturgie, zu der die Nonnen von der Klosterkirche in Prozession zogen. Möglicherweise wurde hier die visitatio, der Gang der Frauen zum Grab, als eine Art Osterspiel inszeniert. Darauf könnten die Zweiteilung der ergrabenen Anlage und der kleine Ziegelbau deuten, der dann das eigentliche Heilige Grab darstellen würde. Daß diese Anlage vor der Westseite der Klosterkirche errichtet wurde, könnte eine besondere Reminiszenz an die Raumfolge in der Jerusalemer Grabeskirche darstellen. Damit stünden Name, Anlage und auch Gründung im Zusammenhang einer Jerusalem-Wallfahrt.
Zwar ist es sehr wahrscheinlich, daß es seit dem 15. Jh. eine Wallfahrt nach Heiligengrabe gab, auch wenn darüber keine direkten Quellen überliefert sind. Es ist gut möglich, daß eine aufwendige Karfreitags- und Osterliturgie dazu führen konnte, dem zunächst offenbar namenlosen Kloster zum Namen Heiligengrabe zu verhelfen. Daraus kann sich auch die Verehrung eines Andachtsbilds wie des von Bekmann beschriebenen Steinreliefs entwickeln, zumal seit etwa 1340 auch andere eucharistische Wallfahrten zu Zisterzienserinnenklöstern bekannt sind und Klöster überhaupt zu Betreuern von Wallfahrtskapellen wurden. Ob sich daraus eine Heilig-Blut-Verehrung entwickeln konnte, bleibt spekulativ. Natürlich ist eine Legendenbildung analog zu den Ereignissen in Wilsnack und in Sternberg/Mecklenburg. möglich. Schon J. Simon 1929 äußerte die Vermutung, daß das Kloster etwas von dem Wallfahrtsstrom, der im 15. Jh. zu einem Annenbild nach Alt Krüssow zog, zu sich leiten wollte, denn das Dorf gehörte dem Kloster, das Patronat der Dorfkirche besaß aber das Havelberger Domkapitel, dem deshalb auch die Einnahmen aus dieser Wallfahrt zustanden.
Ungeklärt ist ebenfalls, wie es zum Druck der Legende 1521 kam. Die Äbtissin Anna von Rohr gab 1532 Tafeln in Auftrag, die die Legende darstellten und dabei den Holzschnitten des 1521 in Rostock hergestellten Druckes folgten.
Vermutlich nach 1519 wurde die spätgotische Blutkapelle eingeweiht, die Ziel der Heilig-Blut-Wallfahrt war und in der wohl die erwähnten Tafeln mit der Legendendarstellung aufgestellt waren, wobei ihre Aufgabe 1531 darin bestand, die Gültigkeit der mittelalterlichen Meßopferlehre gegenüber reformatorischer Kritik herauszustellen.

1539 wandte sich das Kurfürstentum Brandenburg der Reformation zu; 1542 begannen die Auseinandersetzungen zwischen Kloster und Prignitz-Adel auf der einen und dem Kurfürst Joachim II. auf der anderen Seite um den Erhalt des Klosters. Dieser Streit endete 1548 mit der Übernahme der landesherrlichen Schuld von 5.000 fl. durch das Kloster. Heiligengrabe wurde in ein evangelisches Stift
für unverheiratete Töchter des Adels umgewandelt.
Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Klosteranlagen schwer beschädigt, Äbtissin und Konvent flohen zeitweise nach Wittstock. 1742 erhob König Friedrich II. Heiligengrabe formal zu einem Stift und stellte den Titel Äbtissin wieder her - die Vorsteherinnen hatten sich seit dem Dreißigjährigen Krieg als dominae bezeichnet. 1843 wurde das Stift dem Evangelischen Oberkirchenrat unterstellt. Nachdem es 1945 von sowjetischen Truppen besetzt worden war, siedelten sich auf dem Gelände 1946 die Miechowicer Schwestern an. Nach einer Neuorganisation in jüngster Zeit wird es als evangelisches Stift von einer Äbtissin und einigen Stiftsdamen weitergeführt und bietet Andachten, Gebete und Einkehrzeiten an. Außerdem finden heute regelmäßig Konzerte, Veranstaltungen und Tagungen im Stift Heiligengrabe statt.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

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